Zum Höchsten durch enge Pfade!   Victor Hugo

Man hält das Weib für tief – warum? Weil man ihm nie auf den Grund kommt. Das Weib ist noch nicht einmal flach. Friedrich Nietzsche

Obwohl Berta Benz 1888 allein im Auto von Mannheim nach Pforzheim fuhr, mussten Frauen in Deutschland, um den Führerschein zu machen, bis 1958 die schriftliche Erlaubnis ihres Vaters oder Ehemanns einreichen. Eine Einschränkung, die an Verhältnisse in Saudi Arabien erinnert, wo Frauen erst seit zwei Jahren ans Steuer dürfen. Was ihnen vorher unter Androhung drakonischer Strafen verwehrt war. Tonangebende arabische Männer hatten das Fahrverbot stets mit angeblichen “Gesundheitsgefahren” begründet, denen sich Frauen am Steuer eines Autos aussetzen würden. Die wahren Vorbehalte gegen Frauen am Steuer sind jedoch nicht nur in Saudi Arabien darauf zurückzuführen, dass gestandene Männer Frauen gewissermaßen “nicht über den Weg trauen”.

Bezeichnenderweise werden in etlichen Mythen Frauen mit einer dunklen, abgründigen, ja verräterisch bösartigen Wesensart in Verbindung gebracht. Aus der allerlei schreckliches Unheil, verbrecherische Machenschaften, tragische Verwicklungen und Katastrophen, ja selbst die Vertreibung der Menschheit aus dem Paradies hergeleitet worden ist. In den infragekommenden Mythen leben und denken Frauen

an Wahrhaftigkeit, Geradlinigkeit und moralischen Aufrichtigkeiten vorbei. Entweder fehlen ihnen für solche ehrenwerten Dinge die geistigen und charakterlichen Voraussetzungen, oder sie erliegen schlimmen Verlockungen. Im Vergleich zur mythologisch unerschütterlichen Aufrichtigkeit des Mannes, erscheint das andere Geschlecht als unverlässlich, flatterhaft, flach und einfach nur “kopflos”.

Die angenommene Unberechenbarkeit der Frau hat in Männern die Überzeugung heranreifen lassen, dass ungehindert waltende weibliche “Kopflosigkeiten” imstande sind jede Ordnung früher oder später in chaotische Verhältnisse zu stürzen. Angesichts dieser Befürchtung haben Männer eine Maßnahme ergriffen, von der sie sich eine effektive Verhinderung irreparabler Zustände erhofften. Sie besteht in einer weitreichenden Bevormundung, vor allem aber einer entschlossenen Führung des Weibes durch den Mann. Ganz im Einklang mit dieser

vorausschauenden Maßnahme glaubte Augustinus (354 – 430) die Menschheit vor dem Absturz ins weibliche Chaos zu retten, indem er im Tonfall eines besonnenen Ordnungsschaffenden bestimmte: “Das Haupt der Frau ist der Mann”.

Das ist zunächst einmal eine erzpatriarchalisch anmutenden Metapher. In der bei genauerer Betrachtung allerdings sehr viel mehr steckt, als nur eine zeittypische Charakterisierung der Frau als kopflose Befehlsempfängerin eines Herrn und Gebieters. Zwar können dem Kirchenvater bei der Niederschrift seiner metaphorischen “Behauptung” der Frau bestimmt keine schlüpfrigen Hintergedanken unterstellt werden. Dennoch handelt es sich beim Augustinischen männlichen Haupt der Frau um eine Sache, bei der, ganz unbemerkt vom Kopf des heiligen Mannes, eine bestimmte Stelle seines Unterleibs federführend war. Auf die gleich eingegangen wird.

Denken wir aber erst einmal an die früher häufig vorgebrachte Feststellung, Frauen würden mit ihrem Kopf nicht denken können. Was bei Frauen nicht mehr weiter wissende Männer damit meinen, ist unschwer zu erraten. Allerdings handelt es sich dabei um eine Unterstellung, die in philosophischer Hinsicht Rätsel aufgibt. Der Kopf behauptet sowohl für Männer wie für Frauen den Körperbau. Und mit dem Kopf wird gedacht! Das ist so selbstverständlich, dass man sich gemeinhin nichts dabei denkt. Und dennoch ist hier eine überaus bemerkenswerte sprachliche Ungereimtheit erkennbar. Genau genommen kann man nämlich gar nicht mit dem Kopf, sondern, falls überhaupt, immer nur im Kopf denken. Das sieht nach Haarspalterei aus. Und dennoch, an diesem “mit dem Kopf denken” ist nichts falsch. Allerdings, wie sich gleich zeigen wird, ist es im Gegensatz zu Frauen nur Männern möglich mit dem Kopf zu denken.

Der Mann – das menschliche Wesen mit zwei Köpfen

Das alles muss rätselhaft verbleiben so lange man außer Acht lässt, dass mit dem Kopf nicht immer nur die Behauptung des menschlichen Körperbaus gemeint ist. Der Kopf als Inbegriff von Schaltzentrale, Geisteskraft und durchsetzungswilliger Befehlsgewalt wird nämlich seit jeher schon mit Dingen ganz anderer Art und Bedeutung in Verbindung gebracht. Allerdings gilt das nur für den männlichen Kopf! Tatsächlich sind Männer mit einem Kopf bestückt, der Frauen nicht nur nicht abgeht, sondern von der Natur für die Frau vorgesehen ist. Es dürfte deutlich werden welcher Kopf gemeint ist, wenn man vom römischen Dichter Martial (30 – 103 n. Chr.) folgenden gönnerhaft geäußerten Herzenswunsch vernimmt: “Deinen schlüpfrigen Kopf verschlinge der tiefe Graben.”

Männer haben also durchaus recht wenn sie Frauen gelegentlich vorwerfen keinen “Kopf” zu haben. Der fleischlich wahre Kern solcher in verletzender Absicht geäußerten Sprüche tritt deutlich hervor, wenn man die Vorderansicht des aufgerichteten männlichen Glieds mit der Vorderansicht eines Menschen vergleicht. Die ins Auge fallende visuelle Verwandtschaft ist

Menschen in allen Zeiten und Kulturen nicht verborgen geblieben. So dass es nur selbstverständlich ist, wenn diese Gleichgestaltigkeit auch sprachlich zum Ausdruck kommt.

Als Behauptung des männlichen Glieds ist bekanntlich das lateinische Wort Phallus   gebräuchlich, und als kephalos wird im griechischen der Kopf eines Menschen benannt. Diese linguistische Verwandtschaft bestätigt eine visuelle Gleichgestaltigkeit, die auch mit einer sprachlichen Gepflogenheit artikuliert wird. Umgangssprachlich wird im griechischen

der Kopf eines Mannes als Oberkopf apanokephali, und der Phallus als Unterkopf  katokephali bezeichnet. Bestimmt gibt es in anderen Sprachen und Kulturen ähnliche Unterscheidungen. Von unglücklich liierten Griechinnen ist gelegentlich zu hören, dass sie zu Hause nur einen Oberkopf hätten, sich jedoch lieber einen Unterkopf wünschten. Und wenn verheiratete Männer mit Frauengeschichten im sozialen Umfeld für Gesprächsstoff sorgen, wird von ihnen gesagt, dass die Kraft des Unterkopfs die Vernunft ihres Oberkopf überragt. So dass sie immer nur mit ihrem Unterkopf, nicht aber im Oberkopf denken können. Hinsichtlich

dieser beiden Köpfe wäre auch an jene Kopflastigkeit zu denken. die sich Männer von Frauen gelegentlich vorwerfen lassen müssen. So anstrengend diszipliniertes Denken manchmal auch sein kann; das Gewicht des Oberkopfs nimmt dadurch nicht zu. Es besteht deshalb keine Notwendigkeit den Kopf in die Hand zu stützen. Da aber das Gewicht der Gedanken die Gefühlswelt des Unterkopfs belastet, ihn nach unten ziehend beschwert, bezieht sich in weiblicher Sicht typisch männliche Kopflastigkeit auf eben diesen Kopf. Weshalb Männer von Frauen ermuntert werden nicht so viel zu denken, und sich doch lieber der Welt lebensfroher Gefühle hinzugeben.

Besondere Beachtung verdient hier der Umstand, dass, so wie der Oberkopf an einen stammähnlichen Körper, auch der Unterkopf mit einem Stamm verbunden ist. Und mit diesem Stamm behauptet der Unterkopf im erigierten Zustand seine zielgerichtete Geradlinigkeit, bzw. Aufrichtigkeit. Diese ohnehin schon “naturnahen” Überlegungen lassen sich verdeutlichen, indem man die Gegenüberstellung der beiden Köpfe mit den Wurzeln, bzw. dem Wipfel eines Baums identifiziert.

So wie das Blattwerk eines Baums darf der Oberkopf in lichte Höhen des Geistes streben. Er darf es nicht nur; er soll es auch. Immerhin ist auf dieses Streben unser westliches Kulturprinzip errichtet. Bekanntlich sehen humanistische Konventionen im Streben nach dem Licht der Erkenntnis den eigentlichen Sinn menschlichen Daseins. Mit seinen Wurzeln aber steht der

Baum abgewandt vom Licht im dunklen, feuchten Erdreich. Und so wie Wurzeln ins Reich der Mutter Erde, dringt der aufgerichtete Unterkopf ins Reich des Mütterlichen. Was an Goethes das ewig Weibliche zieht uns hinan” denken lässt.

Wobei allerdings nicht vergessen werden darf, dass es den Unterkopf zwar zum Weiblichen

hinzieht, er andrerseits jedoch auch, wie an Picassos einsichtsvoller Interpretation zu sehen ist, immer wieder daraus hervorgeht. Ich möchte hinsichtlich dieser assoziativen Verbindungen vorschlagen zwischen einer erdzugewandten Erektion des Unterkopfs, und einer  erdabgewandten Erektion des Oberkopfs zu unterscheiden. Wobei die erdzugewandte Erektion mit ihrem Kopf in den “unreinen” Nährboden der Gattung dringt, während der Kopf der erdabgewandten Erektion die Mühen auf sich nimmt zur “Reinheit” des Geistes vorzudringen.

Wie der indische Shiva Kult bezeugt, wurde in frühen Kulturen dem aufgerichteten Unterkopf aufgrund seines zeugenden Eindringens in den Nährboden der Gattung religiöse Verehrung zuteil. Er stand symbolhaft für den ganzen Mann, gelegentlich für ein Volk und manchmal sogar für die gesamte Menschheit. Reste ehemaliger Unterkopf-Skulpuren müssen in ihren gewaltigen Ausmaßen auf heutige Feministinnen abstoßend wirken. Im Zusammenhang mit dem kultisch verehrten Unterkopf wäre noch anzumerken, dass der Phallus, als Sinnbild für den Stamm des menschlichen Lebens in vielen Kulturen in assoziativer Verbindung mit dem mythischen Weltenbaum steht. Stockähnliche Gegenstände in Männerhänden gelten ursprünglich wiederum als Abkömmlinge aus der Kraft des Weltenbaums, bzw. des Ur-Phallus.

Tatsächlich können geradlinigen Dinge in Männerhänden durchaus als Nachaußensetzungen ihrer untereren Behauptung verstanden werden. Denn seit Moses, der mit seinem Stock, einem wahrhaften Zauberstab, die erstaunlichsten Dinge vollbrachte, zeigen sich öffentlich exponierte Männer mit Entsprechungen ihrer aufgerichteten Fleischlichkeit in der Hand. Ob Kreuz,

Zepter, Generalsstab, oder Taktstock; alles auffallend geradlinige Dinge die andere darauf hinweisen wollen wo es “lang zu gehen” hat. Wer sie erblickt und ergebenst ihrem Richtungsverlauf folgt, folgt einer geradlinigen Aufrichtigkeit. Im Gegensatz dazu gilt mangelnde Geradlinigkeit, ein diffuses mal dahin und dorthin in allen wesentlichen Dingen gemeinhin als unmännliches Verhalten. Genau das also, was Frauen als typisch weibliche “Kopflosigkeit” angelastet wird.