Eine etwas andere Einführung in die Ästhetik

Bekanntlich spielt das Schöne im menschlichen Dasein seit jeher eine bedeutsame Rolle. Daher ist es nur natürlich, dass auch schon seit langem über das Wesen des Schönen nachgedacht wird. Ein Zweig der Gelehrsamkeit, die Ästhetik, die sich unter anderem mit derartigen Fragen beschäftigt, wurde früher einmal als “Lehre vom Schönen” bezeichnet. Eine Umschreibung, die offenbar mit der Auffassung vebunden war es müsse festzustellen sein, was als schön oder als nicht schön zu erkennen wäre. Der deutsche Gelehrte Alexander Gottlieb Baumgarten hatte in

der Mitte des 18. Jahrhunderts Ästhetik als “Wissenschaft des sinnlichen Erkennens” etabliert. Gewissermaßen als anmutige Schwesterwissenschaft zur doch eher blutlosen Logik.

So entstand bald eine populäre akademische Disziplin, die, mit Denkern wie Immanuel Kant und Friedrich Schiller an der Spitze, rationale Gesichtspunkte an die Künste anlegten. An eine Sache also, die sich schnöder Rationalität entzieht. Als im vorigen Jahrhundert traditionelle Grenzen zwischen Kunst und menschlichem Leben hinterfragt wurden, blieb die Ästhetik nicht wie angewurzelt bei der Kunst stehen. Vielmehr weitete sie ihre Perspektiven in die allgemeinen Lebensanstrengungen und den Alltag der Menschen aus. So dass es schließlich nichts mehr gab, was nicht auch ästhetisch betrachtet werden konnte.

Mit dem Siegeszug avancierter Hirnforschung konnte nicht ausbleiben, dass auch die Neurowissenschenschaften das Ästhetische für sich entdeckten. Wobei sie unter dem Begriff der Neuroästhetik menschliche Kreativität und Lebensgestaltung in neurologische Dimensionen einfügten. Was nicht unbedingt neu ist, zumal schon Baumgarten sinnliche Erkenntnisse mit etwas in Verbindung brachte, das er den “Grund der Seele” nannte. Was sehr deutlich daran erinnert, dass Generationen akademischer Ästhetiker, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, durch und durch körperlose Denker sind. Die dem Wesen des Ästhetischen mit bewundernswertem Scharfsinn überall nachspüren. Nur nicht dort wo es am Naheliegendsten ist. Zartbesaitete mögen irgendwo für einen Augenblick Halt suchen wenn ich jetzt kurz und ohne Umschweife sage wo; am Arsch!

Dieses Stück am unteren Rumpfende, auch Po oder Gesäß benannt, hat aus Gründen die gleich erwähnt werden, im Ensemble der Körperteile schon immer einen besonderen Stellenwert eingenommen. Nach seinen Befindlichkeiten befragt könnte der Arsch daher augenzwinkernd eine Antwort geben, die seiner auferlegten Teilung in spiegelsymmetrische Hälften entsprechen würde. Zwar gäbe die Ehre als “Allerwertester” eingestuft zu werden,

Anlass himmelhoch jauchzend gestimmt zu sein. Zu Tode betrübt wäre er andrerseits aber darüber, immerzu als Ausscheidungsorgan für das “Wertloseste” der Menschheit herhalten zu müssen. Woraus zu schließen wäre, dass man diesen Teil des Körpers vielleicht doch nicht für so dumm halten sollte, wie man es für gewöhnlich tut.

Nun soll hier aber im weiteren Verlauf nicht das infragekommende markante Körperteil selbst im Vordergrund der Diskussion stehen, sondern jene vorwiegend dunkle Substanz die es von sich gibt. Eine Substanz mit hohem Bekanntheitsgrad, die einem eingedenk ästhetischer Theoriebildungen einen tiefen Seufzer abnötigt. Und zwar in etwa den gleichen, den Marx ungläubig kopfschüttelnd hinsichtlich jener nur schwer zu durchdringenden Vertracktheit der Waren ausstieß: “voll von metaphysischen Spitzfindigkeiten und theologischer Mucken.”

Tatsächlich ist man bei der Scheiße unmittelbar beim metaphysischen, fundamentalen Wesen menschlicher Realität. Allein schon der unaufhörliche Gebrauch dieses Worts in allen möglichen Zusammenhängen muss früher oder später die Vermutung aufkommen lassen, dass es sich dabei um eine grundlegende, ja vielleicht sogar fundamentalontologische  Struktur von Mensch und Welt handelt. Schließlich gibt es nichts auf der Welt und im menschlichen Leben, was nicht irgendwie Scheiße wäre. Und wenn Heidegger in seiner Seinsphilosophie die Existenz des Menschen als “Hineingehaltenheit ins Nichts” bezeichnet, liegen nachvollziehbare Gründe auf der Hand, in diesem grundlegenden Menschheitsschicksal doch wohl eher eine “Hineingehaltenheit in Scheiße” zu sehen.

Wenden wir uns nun aber den ästhetischen Dimensionen der Scheiße zu und fragen, weshalb sie als unerfreulich, abscheulich, widerwärtig, ekelerregend usw. empfunden wird. An Form, Farbe und Konsistenz liegt es nur teilweise. Hauptsächlich aber daran, dass sie unannehmbar stinkt. Wobei allerdings sogleich eine verblüffend anmutende Ausnahme hervorzuheben wäre, deren ästhetische Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Scheiße ist nämlich nicht gleich Scheiße! Der Substanz nach zwar schon. Aber, und hier frohlockt der Arsch auf dem

Eimer, ist es Gott sei Dank immer nur die Scheiße der anderen die stinkt. Hat doch die Natur in einem Anflug von Großmut es für uns so eingerichtet, dass, wie erfahrungsgemäß bestätigt werden muss, einem das eigene Häufchen nie wirklich stinkt. Wohl aber einen Geruch absondert, der als durchaus erträglich und zuweilen sogar auch, wie die sogenannte “lange Sitzung” bezeugt, als angenehm empfunden wird.

Vielleicht erscheinen diese Andeutungen über Niederungen, die in allen auch nur halbwegs besseren Kreisen nicht erörtert werden, als Verlautbarungen eines schlechten Geschmacks. Sie dürften allerdings auch genügen um zu sehen, bzw. zu riechen, dass mit der Scheiße die “Ur-Sache” zur Subjektivität unserer Geschmacksurteile im Raum liegt. Man wird auch schon ahnen, dass das, was einem bei der eigene Scheiße durch die Nase geht, geradewegs zum de gustibus non est disputandum führt. Umso mehr wenn man dabei bedenkt, dass die Worte Geschmack und Geruch früher als synonym aufgefasst wurden. Meinungsverschiedenheiten über den jeweils eigenen Geschmack/Geruch auszutragen muss dann tatsächlich als sinnlos erscheinen. Ich werde nun versuchen diesen möglicherweise etwas befremdend, ja vielleicht geradezu anrüchig wirkenden Zugang zum Ästhetischen im folgenden Beitrag etwas genauer zu beleuchten.

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