Wer Lady Gaga und Greta Thunberg im gleichen Atemzug nennt, setzt sich dem Verdacht aus gaga zu sein. Immerhin ist Greta das sympathische Mädchen aus Schweden, das als Klimaaktivistin den Großen und Mächtigen dieser Welt unverblümt ins Gewissen redet. Lady Gaga hingegen ist eine Lichtgestalt der Unterhaltungsbranche. Die in schrillen Outfits zu wummernden Bässen, und unter zuckendem Scheinwerferlicht auf riesigen Bühnen ihr Publikum begeistert.
Obwohl Greta nicht singt, auf jeden Fall nicht öffentlich, ist sie jedoch so wie Lady Gaga ebenfalls ein Popstar. Sie als Popstar zu bezeichnen mag angesichts ihres noblen Anliegens zunächst einmal als reichlich unangebracht erscheinen. Allerdings nicht dann, wenn dieser Begriff in einer Bedeutung aufgefasst wird, die Gretas öffentlicher Wirkung angemessen ist. Was also ist ein Popstar?
Damit sollen hier professionell exponierte Persönlichkeitsinszenierungen zusammengefasst sein. Solche, die in Verbindung mit öffentlichkeitswirksamen Leistungen auf einem bestimmten Betätigungsfeld einen hohen bis weltweiten Bekanntheitsgrad bewirken. Wobei die jeweiligen Aktivitäten infragekommender Personen keineswegs immer nur im Hinblick auf wirtschaftliche Interessen
motiviert sein müssen. So gesehen ist Mutter Teresa der Popstar der Barmherzigkeit, und Sir Edmund Hillary, als Erstbesteiger des Mount Everest, der Popstar des Alpinismus. Albert Einstein ist der Popstar der Wissenschaft, Che Guevara der Popstar der Revolution, Andy Warhol der Popstar moderner Kunst, Franz Beckenbauer der Popstar des deutschen Fussballs und Greta Thunberg der Popstar der Weltrettung. Aufgrund ihres außergewöhnlichen Betätigungsfelds überstrahlt sie damit im Pantheon der Popstars alle anderen Glanzlichter der Menschheit.
Womit die Frage im Raum steht, wie ein sechzehnjähriges schwedisches Schulmädchen zum umjubelten Popstar, ja sogar zum Weltstar der Weltrettung avancieren konnte. Man tritt ihr bestimmt nicht zu nahe wenn man berücksichtigt, dass dafür notwendigerweise durchdachte Inszenierungsleistungen erforderlich sind. Sie konnte ja nicht als gewöhnliche Sechzehnjährige mit dem Zug in die schweizer Alpen fahren, um beim Davoser Wirtschaftsgipfel im Januar 2019 die dort tagenden hohen Tiere zu Klima-Konvertiten zu machen. Greta wurde dort freilich schon erwartet. Für ihren angekündigten Auftritt wurde ihr freundlicherweise sogar ein Podest bereitgestellt.
Sie hatte ja schon einige Wochen zuvor beim UN-Klimagipfel im polnischen Katowice mit etwas von sich reden gemacht, was im Jargon von Rock- und
Popmusikern als Gig bezeichnet wird. Einem spektakulären Einzelauftritt, der gezielt zur Steigerung des Bekanntheitsgrads eingesetzt wird. Was ihr zweifellos gelang. Geißelte sie doch mit deutlichen Worten Politiker für Nichtstun in Sachen Klimaschutz, und beschuldigte sie, mit klimaschädigendem Verhalten und Profitstreben die Zukunft der Menschheit aufs Spiel zu setzen.
Freilich will dabei bedacht sein, dass ihre Rede allein nicht schlagartig einen weltweiten Bekanntheitsgrad bewirkt hätte, wäre sie nicht durch Gretas Aussehen und Kleidung verstärkt worden. Der flammende Appell wäre sogar wirkungslos verpufft, wenn ihn eine geschminkte, gepiercte, tätowierte, mit gefärbten Haaren und löchrigen Jeans dasitzende, ganz normale Jugendliche von sich gegeben hätte. Das gibt Greta zwar vor zu sein, ist sie aber nicht! Obwohl sie sich ein äußeres Erscheinungsbild zugelegt hat, ein Markenzeichen gewissermaßen, das genau das zum Ausdruck bringen möchte.
Greta und die Sehnsucht nach Echtheit
Im globalen Unterhaltungsbetrieb herrscht bekanntlich unentwegt Bedarf an neuen, unverbrauchten, mit unkonventioneller Authentizität auf sich aufmerksam machende Menschen. Im Buhlen um die Gunst der Medien setzen sich diejenigen durch, die, beispielsweise so wie die Sex Pistols, auffälliger als andere sind. Es geht bei diesem Auffälligkeitswettbewerb schlicht und einfach immer darum, derart aufzufallen, dass andere automatisch im Schatten stehen. Das ist das Verfahren der Markentechnik. Erfolgreiche Pop- und Rockstras sind daher immer auch erfolgreiche Markentechniker.
Gretas bewundernswerte markentechnische Inszenierungsleistung ist einzigartig. Sie besteht darin, ausgerechnet mittels sorgfältig inszenierter Unauffälligkeit weltweit aufzufallen. Ungeschminkt, mit schlichtem Zopf oder Zöpfen, ohne Schmuck und mit einfachen, offenbar selbstgenähten Blusen. So einen Superstar gab es noch nie. Greta ist als ganz normale, unverfälschte, richtig graue Maus eine
Identifikationsfigur, die, um ein anderes Extrem zu nennen, der schillernden Künstlichkeit des kultisch verehrten Instagram-Postars Lil’ Miquela diametral entgegengesetzt ist. Lil’ Miquela singt und modelt. Allerdings ist sie gar kein Mensch, sondern die computergenerierte Schöpfung einer kalifornischen High-Tech Firma.
Ich erwähne das deshalb um darauf hinzuweisen, dass der ganze Hype um Greta eine kollektive Sehnsucht nach Echtheit zur Voraussetzung hat. Schließlich leben wir in einer Welt, in der die Unterschiede zwischen Wahrheit und Lüge, Realität und Illusion weitgehend abhanden gekommen sind. Als personifizierte Erlösung aus dieser Verunsicherung kam Greta wie gerufen. Allein schon aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds musste sie als Repräsentantin einer anderen, besseren, wahren und guten Welt empfunden werden. Was folgt daraus? Dass Gretas Kampf gegen den Klimawandel nicht zwingend die Ursache für jene Wirkung sein muss, die sie in der Öffentlichkeit hervorgerufen hat.
Show must go on!
Pippi Langstrumpf wird gelegentlich als literarisches Vorbild für Frauenbewegung und Feminismus genannt. Pippi ist ein Mädchen, das mit rebellischer Verwegenheit,
Humor und Herzensgüte etablierte Gewohnheiten über den Haufen wirft. Man darf sich dabei gerne daran erinnern, dass Astrid Lindgren ihr Kinderbuch 1941 verfasst hatte. Zu einer Zeit also, als Menschen überall auf der Welt an den Folgen einer von Männern entfesselten Gewaltspirale zu leiden hatten. In Pippi Langstrumpfs Tun und Treiben vollzieht sich somit, wie es in ihrem Lied heißt: “…ich mach mir die Welt, widewide- wie sie mir gefällt” die unbekümmerte Korrektur an einer schlechten Welt. Und genau das ist es ja, was Greta in bester Pippi Langstrumpf Manier mit den fröhlichen Schulstreiks fürs Klima bezweckt.
Ich behaupte nicht, dass das Pop-Ereignis Schulmädchen gegen Weltuntergang bis ins kleinste Detail am Küchentisch der Familie Thunberg entworfen wurde. Dennoch sieht es danach aus, als ob ohne Papa Thunberg die Menschheit von Gretas Existenz nie etwas erfahren hätte. Der Mann scheint ein cleverer PR-Stratege zu sein, der weiß wie er seine Tochter öffentlichkeitswirksam zu positionieren hat.
Auf die Hochsee-Rennyacht “Malizia II” etwa, auf der Greta mit ihrem Papa, einem Kameramann (!) und dazu einem echten Prinzen als Skipper, über den Atlantik zum Klimagipfel der Vereinten Nationen segelt. Eine PR-Aktion, die zu überschaubaren Kosten ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit garantiert. Und eben darauf kommt es im Unterhaltungsbetrieb an. Mit SAS in der Holzklasse nach New York zu reisen, konnte deshalb von Anfang an keine Option gewesen sein.
Vom Personal in der Unterhaltungbranche wird erwartet, dass es dafür sorgt ununterbrochen beim Publikum im Gespräch zu bleiben. Gewöhnliche Popstars kommen dieser Erwartungshaltung nach, indem sie ständig neue Hits produzieren. Bei Greta allerdings, und das wird bald ihr Problem sein, ist die Bandbreite neuartiger Aktionen eingeschränkt. Viel mehr als auf internationalen Konferenzen zu reden, kann Greta eigentlich nicht tun um ihren Status als Superstar zu behalten. Und das ist auf die Dauer wenig, viel zu wenig.
Vor oder nach der UN- Klimakonferenz in Santiago de Chile, im Dezember 2019, wäre deshalb der Besuch bei irgendeinem südamerikanischen Naturvolk in Erwägung zu ziehen, dessen Lebensgrundlagen durch den Klimawandel gefährdet sind. Was mit einer etwas abenteurlich erscheinenden, detailliert dokumentierten Anreise verbunden sein sollte. Da sich die Tour auf der Rennyacht nicht wiederholen lässt, wird für die Heimreise von Amerika eine mindestens ebenso spektakuläre PR-Aktion angedacht werden müssen. Im Winter könnte dabei, wenigstens streckenweise, die umweltverträgliche Fahrt mit Hundeschlitten über Alaska und Grönland in Frage kommen.
Auf jeden Fall wird Greta aber, sobald sie wieder in Europa ist, vom Papst empfangen werden. Die Arbeit an einer Selbstbiographie mit dem Titel: “Unser Planet, und wie ich wurde was ich bin” ist bestimmt schon weit vorangeschritten. Ein Film über Greta wird in die Kinos kommen. Zweifellos wird Greta auch von einer renomierten Universität zum Ehrendoktor ernannt werden. Sie wird ganz sicher auch den Friedensnobelpreis erhalten, und das Preisgeld in eine Greta Thunberg Stiftung einbringen. Die dann alljährlich den Greta Thunberg Preis für klimaerhaltende Aktivitäten vergibt.
Das alles wäre, um mit einem abgedroschenen Sprichwort zu reden, zum lachen, wenn es nicht zum weinen wäre. Dass sich Klimawandel und Umweltzerstörung so nicht aufhalten lassen muss man achselzuckend hinnehmen. Aber viel schlimmer und geradezu unheimlich ist die Tatsache, dass sich ein weltweites Publikum von Greta nicht nur unterhalten, sondern darüber hinaus auch geistig und moralisch bestens bei ihr aufgehoben fühlt. Als ob die Gegenkraft gegen den Abgrund, in den wir unaufhaltsam stürzen, in theatralischen Konferenz-Auftritten, niedlichen Schulstreiks und erschütternden Trivialitäten wie einem Segeltrip bestehen könnte.
Das Pop-Ereignis Greta ist bei wohlwollender Betrachtung nichts weiter als eine gut organisierte, und gewiss auch unterhaltsame Verzweiflungsäußerung. Sie ist einem Bereich zuzuordnen, der sich aus vielerlei Aktionen des zivilen Ungehorsams und Solidaritätsbekundungen zusammesetzt. Rasch sich bildenden, und ebenso rasch wieder zerplatzenden Blasen auf einem von Metastasen wie Gier, Zynismus, Ignoranz, Hass, Gewalt und Dummheit überwucherten Planeten. Dennoch, oder gerade deshalb, show must go on.