Kinder vermehren die Sorgen des Lebens, aber lindern den Gedanken an den Tod.     Francis Bacon

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Warum kommen unablässig Kinder auf die Welt?

Unerfüllter Kinderwunsch wird oftmals als schmerzhafter Schicksalsschlag erlebt. Der für die Betroffenen mit bodenloser Verzweiflung und tragödienhaften Zuständen einhergeht. Dieses Weh lässt aber eine größere, und in gleich mehrerer Hinsicht sehr viel bedeutsamere Misere in Vergessenheit geraten: nämlich sich fortgepflanzt zu haben. Das zu sagen, muss als Ausdruck einer zutiefst menschenfeindlichen Gesinnung empfunden werden. Immerhin ist die ersehnte Ankunft von Nachwuchs mit elterlichen Glücksgefühlen verbunden. Und da überall dort wo

Herzen überschwänglich sprechen der Verstand schweigen sollte, wäre es reichlich unpassend freudestrahlenden Eltern ihr Kind als ein einstweilen noch friedlich schlafendes Elementchen im Aufbau eines Übels aufzuzeigen.

Man tut daher gut daran Eltern nicht mit der kindisch bis weltfremd anmutenden Frage zu behelligen, warum ständig Kinder zur Welt kommen, und weshalb sich Paare überhaupt Kinder wünschen? “Als ob das eine Frage wäre!” antwortet darauf ungläbig kopfschüttelnd der gesunde Menschenverstand. Um im Tonfall unabänderlicher Überzeugung hinzuzufügen, dass dies doch nun mal der ganz natürliche Gang der Welt ist. Was in einer eingeschränkten Sichtweise auch zutrifft. Allerdings ist bei näherer Betrachtung das Kinder in die Welt setzen für die Menschheit selbst eine höchst problematische Sache. Wobei zunächst einmal daran zu erinnern wäre, dass allein schon dem Wort Fortpflanzung eine ziemlich ungute, ja sogar geradezu verhängnisvolle Gedankenlosigkeit zugrundeliegt.

 

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Vom Verhängnis der Menschheit sich immer nur “fortgepflanzt” – aber nicht “hinaufgepflanzt” zu haben

Kinder haben normalerweise zwei einander zugetane Menschen zur Voraussetzung. Lassen wir zu infragekommenden Wünschen und Ereignissen in den Schlafzimmern dieser Welt einen prominenten Denker zu Wort kommen. Im ersten Teil von Also sprach Zarathustra (1883) fragt

Friedrich Nietzsche nach moralischen und intellektuellen Beweggründen, von denen er glaubt, dass sie bedacht sein wollen, bevor es im Bett zur Sache geht:

Ich habe eine Frage für dich allein, mein Bruder…Du bist jung und wünschest dir Kind und Ehe. Aber ich frage dich: bist du ein Mensch, der ein Kind sich wünschen darf?  Bist du…der Gebieter der Sinne, der Herr deiner Tugenden? Also frage ich dich. Oder redet aus deinem Wunsch das Tier und die Notdurft? Oder Vereinsamung? Oder Unfriede mit dir?

Der geschwollene Ton im Zarathustra, dem Pop-Event der Philosophie, sollte uns nicht davon abhalten die hier aufgeworfene Frage ernst zu nehmen. Freilich muss gleich von Anfang an zugegeben werden, dass Nietzsche damit einen gemeinhin völlig unakzeptablen Standpunkt andeutet. Vertritt er doch die Auffassung, dass Kinderwunsch sich gar nicht erst einstellen dürfte, wenn dafür notwendige moralische und intellektuelle Voraussetzungen fehlen. Dem steht die nicht hinterfragte Selbstverständlichkeit gegenüber, allen Menschen, unabhänging von Bildung und Einkommen ein Recht auf Nachwuchs zuzusprechen.

Aufgrund dieses Menschenrechts erübrigt sich “Bettgeflüster” mit Nietzsche als Moderator. Zumal dann wenn man bedenkt, dass “es” in den meisten Fällen auch einfach nur so “passiert”. Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass Dingen wie äußerer Erscheinung, Beruf, Auto, Wohnort, Einkommen usw. viel mehr Bedeutung zugemessen wird, als Fragen zur Mitwirkung beim Fortgang menschlichen Lebens. Wobei Alles in Allem hinsichtlich des Zustands unserer Welt ein eigentümlicher Sachverhalt sichtbar wird. Denn so viele Dinge die Menschheit im Verlauf ihrer Geschichte auch hervorgebracht hat, wirklich erstaunlich ist doch aber die Tatsache, dass sie bislang nichts aus sich selbst gemacht hat.

Was uns nun zu jener verhängnisvollen Leichtfertigkeit führt, das dem Wort Fortpflanzung innewohnt. Fortpflanzung beinhaltet wörtlich genommen eine horizontale immerzu “fort”, also “immer weiter so wie jetzt” Verlaufsrichtung. Das für die Menschheit erstrebenswerte Gegenteil davon wäre Nietzsche zufolge eine Hinaufpflanzung.

Nicht nur fort sollst du dich pflanzen, sondern hinauf!…einen Schaffenden sollst du schaffen…Ehe, so heiße ich den Willen zu zweien, das Eine zu schaffen, das mehr ist als die, die es schufen…

Dass dieses Schaffen an “Züchtung” und den problematischen Begriff “Übermensch” denken lässt, darf vernachläsigt werden. Nietzsches eigentliches Anliegen besteht ja hauptsächlich darin, auf den Unterschied zwischen Fortpflanzung und Hinaufpflanzung hinzuweisen. Und zwar als Missbilligung der ständigen Wiederholung von dem was durch Fortpflanzung in Gang gesetzt wird: die Wiederkehr der Eltern in ihren Kindern. 

 

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Das Schlafzimmer als Kopierladen

Dass Hunde oftmals eine frappierende Ähnlichkeit mit ihren Besitzern aufweisen ist hinlänglich bekannt. Was wohl darauf zurückzuführen ist, dass eigenes Aussehen auf die Wahl des Hundes

abfärbt. Auch bei Paaren die seit Jahrzehnten verheiratet sind und dabei die gleichen Sorgen und Freuden teilten, scheint sich nach und nach eine Angleichung der Gesichtszüge einzustellen. Bei Kindern schließlich, bedarf es keiner größeren Aufmerksamkeit um immer wieder festzustellen, dass der Apfel nicht weit vom Baum gefallen ist. Wobei (wie der Vater, so der Sohn) biologische Erklärungen vernachlässigt werden dürfen.

Wesentlich im Zusammenhang ist etwas anderes. Und zwar die Tatsache, dass der Apfel neben dem Baum in den allermeisten Fällen liegen bleibt. Um daraufhin im Verlauf der Zeit selbst zu einem Baum heranzureifen, der sich dann von seinem ursprünglichen  Stammbaum auch unter der Rinde nur geringfügig unterscheidet. Was wiederum genau den Punkt trifft, den Nietzsche in seiner Fortpflanzungskritik als abträglich, ja unheilbringend verwirft.

Vielleicht tritt die menschheitsgeschichtliche Tragweite dieser Kritik deutlicher hervor, wenn man

Bettgeschehen mit dem gleichsetzt, was im Kopierladen besorgt wird. Im Kopierladen wird etwas verdoppelt, bzw. vervielfältigt, was ursprünglich nur als Einzelanfertigung vorhanden war. Ist der Vorgang des Kopierens aber abgeschlossen, ist kein nennenswerter Unterschied zwischen dem zugrundeliegenden Original und den Kopien erkennbar. Das heißt, dass im Verlauf des Übergangs vom Liebespaar zum Elternpaar gemäß Nietzsches Fortpflanzungskritik mittels eines bloßen Kopiervorgangs immerzu Unterschiedslosigkeiten entstehen. Tatsächlich bringt die Bedienung der “Print” Taste nichts anderes hervor. Der empirische Beweis dafür ist daran erkennbar wie schwer es uns fällt, möglichst schnell die Namen möglichst vieler Menschen zu nennen, die man als Genies bezeichnen kann. Man muss schon länger nachdenken, wollte man außer Buddha, Platon, Leonardo, Beethoven, Picasso oder Einstein noch zusätzlich mindestens fünfzig Menschen dieses Formats nennen.

Von der erstaunlichen Einsicht ist nicht loszukommen, dass unser persönliches Tun und Treiben, und ich schließe mich da keineswegs aus, im Vergleich zu diesen doch bemerkenswert wenigen Höhepunkten der Menschheit dem Niveau einer Affenhorde entspricht. Das heißt, ebenso groß wie der intellektuelle Abstand zwischen einem Affen und mir, ist der intellektuelle Abstand zwischen mir und Aristoteles. Das führt in menschheitsgeschichtlicher Hinsicht zu einem überaus ernüchternden Ausblick. Planet der Affen ist der Titel einer erfolgreichen Weltraum-Affen-Saga. Die so etwas wie eine rückwärts gerichtete Schöpfungsgeschichte der Menschheit erzählt. In der Menschen ihre zivilisatorische Zukunft im Affenstand erkennen müssen. Was folgt daraus?

Trotz modernster technischer und wissenschaftlicher Errungenschaften lässt sich behaupten, dass die Menschheit, weil sie sich nur fort- und nicht hinaufgepflanzt hat, eine unten liegen gebliebene Gattung ist. Die es versäumt hat sich selbst zu schaffen. Und irgendwo im Weltraum drauf und dran durch Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen sich selbst abzuschaffen. Wobei klar sein dürfte, dass eine Gattung, die wortreich aber hilflos ihren selbsterschaffenen Problemen ausgeliefert ist, gleichsam wie auf einem Planet der Deppen schon im Bett etwas falsch machen muss.

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