All you need is love, love, love is all you need…The Beatles

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Annäherung an eine begehrte Sache mit begrenzter Haltbarkeit

Überall und unentwegt wird Liebe als höchstes Glück auf Erden angestrebt. Allerdings dürfte für die meisten im Rückblick die Liebe als größte Enttäuschung des Lebens erscheinen. Dabei ist sie ja erfahrungsgemäß eine ohnehin schon ziemlich rasch vorübergehende Angelegenheit. Oft hat sie sich schon längst verflüchtigt, während eingegangene Zweisamkeiten als gespenstische Ruinen aus Tagen eines verflossenen Liebes-Glücks noch fortbestehen.

Dass Liebe kein Dauergast und stets nur auf der Durchreise ist, ist selbst Gott nicht verborgen geblieben. Im gebieterischen “bis der Tod euch scheidet” wird ja nicht die Dauer der Liebe beschworen, sondern der Fortbestand einer Lebensgemeinschaft eingefordert. Die jedoch dem Fortbestand der Liebe so wenig hilft, wie eine Kiste JOHNNY WALKER der Besatzung eines dahintreibenden Rettungsboots mit knapp werdenden Wasservorräten.

Einander Liebende treten als Paare auf. Wobei sie in eben dieser sozialen Form ihren Gefühlen einen Inhalt geben. Wenn frisch verliebte Paare eine Urlaubreise buchen, oder zusammen einen Fernseher kaufen, manifestiert sich in solchen Aktivitäten der Beginn einer Lebenspartnerschaft. Nun liegt es aber zwangsläufig in der Natur der Sache, dass mit dem Beginn einer solchen Beziehung gleichzeitig

auch allerlei Konflikte beginnen. Beim ersten gemeinsamen Urlaub mag vielleicht nicht alles so wie erhofft verlaufen. Und der gemeinsam gekaufte Fernseher kann Meinungsverschiedenheiten bei der Programmauswahl hervorrufen. Uneinigkeiten darüber ob es am nächsten Tag schon wieder an den Strand gehen soll, oder ob es im Fernseher unbedingt Fußball sein muss, wenn gerade eine Flüchtlings-Doku kommt, sind natürlich Belanglosigkeiten.

Die am Anfang einer Beziehung nicht weiter ins Gewicht fallen. Denen aber nach dem ”steter Tropfen höhlt den Stein” Prinzip eine heimtückische  Eigenschaft innewohnt. Indem sich nach und nach und im Verlauf der Zeit, im Zusammenhang mit Gründen unterschiedlicher Art und Bedeutung anfänglich noch so beglückende Beziehungen in regelrechte Notstandsgebiete der Zweisamkeit verwandeln. In denen trotz Problemanalysen, Kompromissbereitschaft und Reparaturbemühungen irgendwann ein Punkt erreicht ist, an dem sich die ernüchternde

Gewissheit von einem einfach nicht-mehr-miteinander-auskommen-können verfestigt. Angesichts der Erfahrung nicht mehr geliebt und noch viel weniger verstanden zu werden, könnte für Beziehungsleidende eigentlich alles geklärt und erledigt sein. Sehr oft kommt jedoch zur Gewissheit, dass es wirklich nicht mehr geht, die noch trostlosere Einsicht in ein dennoch irgendwie miteinander-auskommen-müssen hinzu. Und zwar aufgrund gemeinsam eingegangener, rechtlich bindender Verpflichtungen, Kinder, Schulden, oder sonstiger Umstände.

Gerade dieses voneinander-wegkommen-wollen, aber so ohne weiteres nicht-mehr-voneinander-wegkommen-können ist eine enorme Dauerbelastung. Das trotz aller Schwierigkeiten sich irgendwie Durchwursteln und Zusammenraufen müssen steht bezeichnenderweise vielen älteren Paaren in einer Mischung von Verzweiflung und Resignation deutlich im Gesicht geschrieben. Dass dennoch “nur” etwa die Hälfte aller Ehen mit Ach und Krach geschieden werden, muss daher erstaunlich anmuten. Nicht wundern darf man sich aber darüber, dass in besonders zermürbenden Zweisamkeiten verbitterte

Abnutzungskämpfe ausgetragen werden. Bei denen Hass- und Rachegefühle auf schreckliche “Endlösungen” hinarbeiten. Von denjenigen die ihren real existierenden Beziehungs-Höllen, die doch alle einmal als Liebe begannen, ein gewaltsames Ende bereiten, liest man täglich in der Zeitung: “Postbote erschießt Familie und sich selbst.”

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Dauerhafte Beziehungen gibt es noch nicht lange. Zum Phänomen des “Seitensprungs”

Man denkt  gemeinhin nicht daran, dass Lebensgemeinschaften privater Art zwischen Frauen und Männern noch nicht lange existieren. Die Annahme vom Paar und der Familie als Keimzelle menschlicher Gesellschaften erweist sich bei näherer Betrachtung als falsch. Lebten Menschen doch selbst noch im Altertum weitgehend in promiskuösen Verhältnissen. In einer Praxis sexueller Kontakte mit ständig wechselnden Partnern, und, oder parallel mit mehreren Partnern.

Übrigens war das was heute als Liebe verstanden wird, vor noch nicht allzu langer Zeit nur in besseren Kreisen bekannt. Der griechische Geschichtsschreiber und Völkerkundler Herodot, (484 v. Chr. – 425 v. Chr.) der die alte Welt aus eigener Anschaung kannte, weiß von merkwürdigen Zuständen zu berichten.  “Wenn einer eine Frau beschlafen will”, sagt er angesichts lybischer Gepflogenheiten, “stellt er seinen Stock weg, und vollzieht den Beischlaf mit ihr”. Das entspricht wohl eher nicht heutigen Standards serieller Monogamie. Bestimmt auch nicht das Verhalten von Frauen in einem Skytenvolk, die sich “neben ihrer Hausarbeit zu jedem Mann gesellen der ihnen zusagt”. (zit. nach G. Thomsen, Frühgeschichte Griechenlands und der Ägäis, 1980, S. 105)

Dass bei der Beschreibung solcher Zustände begeisterte Swinger leuchtende Augen bekommen ist unschwer nachvollziehbar. Jedoch will dabei auch bedacht sein, dass derartige Formen von Unkompliziertheit nach wie vor Verhaltensweisen prägen, für

die so treffende Ausdrücke wie “Seitensprung” oder “Fremdgehen” im Umlauf sind. Das sind Dinge die nicht mehr unbedingt einen Scheidungsgrund darstellen, aber als zutiefst kränkend empfunden werden. Gar nicht so selten wird ja einem Partner auch gleich von Anfang an und nicht ohne vorweggenommene Verbitterung, ein Hang zur Untreue unterstellt.

Grundsätzlich ist bei allem Wohlwollen für die Gefühle der Liebe am realistischen Eingeständnis nicht vorbeizukommen, dass eigentlich niemand so richtig für dauerhafte Beziehungen geschaffen sein kann. Nicht zuletzt auch aufgrund einer weit in Vorzeiten zurückreichenden, und nach wie vor in unseren “Genen” liegenden promiskuösen Vergangenheit.

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Warum Verliebte als Liebespaare in Erscheinung treten. Vom Upload in die mimetischen Settings der Liebe

Wir können gemeinhin auf Anhieb sehr genau und wortreich sagen, weshalb wir diese oder jene Person hassen. Vergleichsweise stockend und verlegen aber wird die Rede wenn die Frage beantwortet werden soll, warum wir mit jemand eine Beziehung aufrechterhalten. Darüber muss erst einmal länger, und meistens erfolglos nachgedacht werden. Jedoch selbst die Beweggründe die zur Beziehung führten erscheinen oftmals rätselhaft, und im Nachhinein unerklärlich.

Natürlich wird gesagt, dass gegenseitige Sympathie und Attraktion im Vordergrund standen. Dass es uns die Persönlichkeit des anderen antat, wodurch ein Bedürfnis nach fortgesetzter Nähe aufkam. Dass es darum ging jede Distanz zwischen sich aufzuheben, um am “Du zum Ich” zu werden. All das und dergleichen mehr stimmt auch. Aber nur teilweise! Denn der eigentliche Anlass weshalb wir uns nach einem zu uns passenden Partner sehnen, hat damit wenig zu tun. Wohl aber mit Imitation bzw. Nachahmung.

Das alte griechische Wort Mimesis bedeutet vereinfachend gesagt Nachahmung. Für Platon ist jede geschaffene Sache das nachahmende Abbild einer Idee. (Politeia, 598b) So ist beispielsweise ein Haus die Nachbildung der Idee des Hauses, ein Boot die Nachbildung der Idee des Boots usw. Auch allem was schön ist wohnt dementsprechend immer die Idee des Schönen inne. Diese Andeutungen genügen vollauf um daraus einen überzeugenden Zugang zur schönen Welt der Liebespaare abzuleiten.

Tatsächlich ist die Liebe an sich schon etwas schönes. Aber in ihrer ganzen Schönheit erscheint die Liebe erst auf unüberbietbar schön anmutenden Bildern von der Liebe. So sehr die Schönheit der Liebe auch unaufhörlich besungen wird, in keinem Phänomen tritt sie schöner hervor als auf Bildern von der Liebe. So brutal unschön es auf der Welt auch zugeht, tonangebend sind in visueller Hinsicht glücklich Verliebte. Es handelt sich bei diesen Bildern um einen regelrechten Liebespaar-Bild Tsunami, vor dessen Schönheitswucht es kein Zurück gibt. Alle kennen diese schönen Bilder. Man hat sie schon seit einer gefühlten Ewigkeit

gesehen. Etwa das Bild von paradiesisch schöner Zweisamkeit an einem einsamen Strand irgendwo in der Südsee. Oder das Bild von einer romantischen Kahnfahrt auf einem Fluß. Vielleicht mit Schwänen um den Kahn herum die ihre Hälse ins Wasser

strecken. Nicht wegzudenken aus dieser Bilderflut sind Bilder von unendlich glücklich lächelnden Paaren auf einer blühenden Wiese, oder vom romatischen

Dinner zu zweit. Was wollen diese Bilder sagen? Warum sind sie da? Worin besteht ihre Funktion? Darauf gibt es eine Antwort. Sie werden bewusst und unbewusst als Vorbilder für die schöne Welt der Liebespaare zur individuellen Nachahmung wahrgenommen. Und sie erfüllen diese Funktion dadurch, indem erwiesenermaßen unaufhörlich und überall ein individueller Upload in die Welt dieser schönen Bilder angestrebt wird.

Das heißt; nicht weil wir einen Partner suchen, sind wir auf Partnersuche, sondern oftmals nur deshalb, um uns als individueller Upload in den Settings der Liebe zu bewegen. Womit eine Erklärung für jene eigentümliche Leere gegeben wäre, in der Paare nach einer anfänglichen Sturm und Drang Periode stecken. Die mimetischen Settings der Liebe sind ja lediglich eine Form. Der Inhalt, die Liebe, muss von den Liebenden in langen Gesprächen erst zusätzlich konstruiert werden. Konstruktionsfehler lassen sich dabei nicht vermeiden. Mit unerfreulichen Konsequenzen, die schon erwähnt wurden.

Aber dazu muss es gar nicht erst kommen. Gibt es doch heute großartige Möglichkeiten Partnerschaften einzugehen, die garantiert glücklich und harmonisch verlaufen. Es muss freilich nicht immer ein Mensch sein, der einen glücklich macht. Im Gegenteil, der innige Umgang, um nicht zu sagen beglückende “Intimverkehr” mit käuflichen Dingen wie schönen Autos, Einrichtungsgegenständen, Parfüms, Kleidung, teuren Uhren usw. ist längst schon eine schöne Alternative zu einer Art von Liebe, wie man sie bisher kannte.