Kinder, heut Abend, da such ich mir was aus. Einen Mann, einen richtigen Mann… (Marlene Dietrich)

Gefällige Eigenschaften eines richtigen Mannes, die Marlene Dietrich besingt, passen bei selbst wohlwollendster Betrachtung noch nicht einmal annäherungsweise zu Wladimir Putin. Es ist kein Geheimnis, dass ihm Frauen nichts abgewinnen können. Die Natur hat ihm in dieser Hinsicht einiges vorenthalten. In Hollywood hätte man ihn nicht gebrauchen können. Auf jeden Fall nicht vor der Kamera. Was aber auch von den Männern gesagt werden kann, die ihn bewundern. Falls er sich in einer Douglas Parfümerie nach einem zu ihm passenden Herren-Parfüm erkundigen würde, bekäme er vom erfahrenen Verkaufspersonal allein schon aufgrund seiner scheußlichen

 

 

Krawatten, die in einem abstoßenden Überbietungswettbewerb zu bleichfetten, konturlosen Gesichtszügen stehen, umgehend ROCHAS Man unter die Nase gehalten. Einen Duft, über den man eigentlich nicht viel Worte verlieren muss. Außer, dass ihre Träger aus Nächstenliebe gut daran tun, zu Mitmenschen mit wenigstens halbwegs empfindsamem Geruchssinn einen möglichst großen Abstand zu halten. Was freilich an Orten nicht möglich ist, an denen männlicher Achselschweiß mit der süßlichen Schwere von ROCHAS Man zu einer stickigen Einheit verschmelzen. Wie etwa bei hochsommerlichen Temperaturen im ÖPV, oder im vollbesetzen Ferienflieger nach Malle. Klar, so unterschichtig einengend geht es im Kreml natürlich nicht zu. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron wusste es daher sicherlich sehr zu schätzen, als ihn der Herr des Hauses am gegenüberliegenden Ende eines 

nicht weniger als sechs Meter langen Tisches Platz nehmen ließ. Was offiziell auch gegenüber anderen Besuchern des Kreml-Herrschers als reine Covid-Vorsichtsmaßnahme begründet wurde. Dabei hatte die Sitzordnung bei genauerer Betrachtung gar keinen immunologischen, sondern ausschließlich symbolischen Charakter. Das Bild von den zwei Männern am langen weißen Hochglanz-Tisch mit dem auffallend mickrigen Blumengebinde, wird bestimmt einmal in die Geschichtsbücher eingehen. Vorausgesetzt, die Menschheit wird später einmal überhaupt noch in der Lage sein auf eine Vergangenheit zurückblicken zu können. Angesichts einer rasant zunehmenden Erderwärmung und der durchaus realen Gefahr eines Atomkriegs sieht es momentan eher nicht danach aus.

Beobachter äußerten die Vermutung, der aufgenötigte Abstand zu Macron wäre ein deutlicher Ausdruck von Putins Überheblichkeit. Wobei sie zwar nicht ganz falsch, andrerseits jedoch auch nicht richtig lagen. Man kommt der Sache näher wenn man bedenkt, dass völlig unabhängig von seiner möglicherweise noch so unannehmbaren Parfümierung, Putin sich hinsichtlich seiner Persönlichkeit keinen beschönigenden Illusionen hingibt. Anders gesagt: Putin weiß sehr genau, dass er vielen Leuten, ja sogar dem wohl größten Teil der Menschheit, schlicht und einfach ganz gewaltig stinkt. Putin hat sich, mehr noch, auch längst schon eingestanden ein Arschloch zu sein. Im Einklang mit dieser Selbsteinschätzung wäre die Sitzordnung am langen Tisch als so etwas wie ein “Zynismus der Demut” zu werten: “Als Arschloch, von dem wir beide wissen, dass ich es nun mal bin, habe ich dafür gesorgt, dass du, lieber Emmanuel, erst gar nicht in meiner Nähe sitzen musst!” 

Man könnte geneigt sein diese Bemerkungen als nicht ernsthaft gemeinte, karikaturhafte Mutmaßungen abzutun. Putin wird ja nach wie vor weitgehend als rational agierender “Präsident” Russlands betrachtet. Einige glauben in ihm einen stalinistisch orientierten Faschisten zu sehen, dem sich die westliche Welt als Hassobjekt offenbart. Tatsächlich ist ihm gewiss nichts so sehr verhasst wie Freiheit, Menschenrechte und Demokratie. Und ein Faschist der alten Schule ist der ehemalige St. Petersburger Kleinkriminelle und nunmehr tonangebende Mann im Kreml zweifellos. Man muss hier freilich gleich hinzufügen, dass es ihm keineswegs genügt als nunmehr russischer Hitler des 21. Jahrhunderts, als “Putiler”, wie verärgerte Russen sagen, die Welt in Angst und Schrecken zu versetzen. Das ist ihm zu kleinkariert. Die Verachtung westlicher

Werte geht ihm nicht weit genug. Putin schwebt in seiner toxischen Männlichkeit wirklich Großes vor. So grotesk es auch erscheinen mag, aber der Mann legt offenbar größten Wert darauf, gewissermaßen zur Krönung seiner Karriere, als dreckigstes Arschloch des beginnenden 21. Jahrhunderts wahrgenommen zu werden.

Das zu sagen entspricht den Tatsachen! Weshalb sonst hätte er im Nachhinein jene enthemmte Sadisten-Soldateska, die in einem ukrainischen Ort an wehrlosen Zivilisten, Frauen und Kindern, bestialischste Gräueltaten  beging, mit höchsten militärischen Orden auszeichnen sollen? Damit hat Putin der zivilisierten Menschheit zynisch grinsend den Finger gezeigt. Nicht ohne ihn vorher in seine hintere Körperöffnung gesteckt zu haben. Wenden wir uns einen Augenblick vor so viel Verworfenheit ab, um unkontrollierbar werdende Ekelgefühle zu überwinden.         

 

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Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch  (Friedrich Hölderlin)

Eine wohltuenden Kontrastwirkung zum Kotzbrocken Putin stellt sich beim Anblick eines ehemaligen Komikers ein: dem Präsidenten der Ukraine. Während wir die Treppe zu seinem Amtszimmer emporsteigen erinnern wir uns daran, dass Komiker der Wahrheit verpflichtet sind. Komiker sind auch die einzigen Männer, die man wirklich ernst nehmen muss. Leute die es nicht tun laufen Gefahr, dass ihnen am Ende das Lachen vergeht. Eine unerfreuliche Erfahrung, die Putin möglicherweise bevorsteht. Als Mitbringsel aus der Douglas Parfümerie überreichen wir dem Präsidenten einen Duft mit dem Namen L’Eau d’Issey vom kürzlich leider verstorbenen  Modeschöpfer ISSEY MIYAKE. Ein ungekünstelter, sowohl an die Diszipliniertheit japanischer Schwertkämpfer, als auch an die geistige Akrobatik zenbuddhistischer Mönche erinnernder, jeglicher Süße entgegengesetzter Duft. Ein Duft schließlich, dessen kirschblütenartig sanfte, und doch kompromisslose Aromen wunderbar zur dunkelolivgrünlichen Farbe von Selenskyjs T-Shirt passen. Das eine Nummer zu  

        

klein zu sein scheint. Wodurch allerdings ohnehin schon auffallend muskulöse Oberarme zusätzlich akzentuiert werden. Die auch Marlene Dietrich bewundernd zur Kenntnis genommen hätte.

In ästhetischer Hinsicht hat Selenskyj den Krieg gegen Putin gleich vom ersten Tag an gewonnen. Ganz seinem großen Vorbild, dem linguistisch geschulten Völkerschlächter Stalin verpflichtet, hat Putin mit schier unüberbietbarem Zynismus die brutale Abschlachtung friedfertiger Menschen als notwendig gewordene “Befreiung” und “Entnazifizierung” bezeichnet. Das ist aber ein Schuss in den Ofen. Schließlich erscheint bei selbst gehässigsten Vorurteilen Selenskyj nicht als nazistisches Ungeheuer, sondern als der einfache nette Mann von nebenan im T-Shirt. Durch eben dieses T-Shirt ist Selenskyj in den Augen der zivilisierten Menschheit zur Stil-Ikone avanciert. Im Vergleich dazu wirkt die übertriebene Eleganz des russischen

Außenministers Lawrow wie die Kostümierung eines skrupellosen Gangsters. Und das ist der Mann ja auch tatsächlich. 

Selenskyj ist allerdings nicht nur eine Stil-Ikone, sondern viel mehr noch ein regelrechter Glücksfall für die zivilisierte Menschheit. Und zwar deshalb, weil auf der Welt doch viel eher toxische Arschloch-Männlichkeiten als richtige Männer den Ton angeben. Einer wie Trump etwa, der nach wie vor den Umsturz der amerikanischen Demokratie vorantreibt, und nicht davor zurückschreckt sich als Genie zu bezeichnen. Oder Tropen-Trump Bolsonaro, der die grüne Lunge der Menschheit, den brasilianischen Regenwald abfackeln lässt. Orban, Edogan und Lukaschenko. Um nicht von Kim Jong Un zu reden. Die Liste könnte beliebig verlängert werden. 

Weg vom niederschmetternden Anblick dieser Arschlöcher ist nun das Schweinwerferlicht auf den Mann im T-Shirt gefallen. Einen Mann, den wohl nur ewig grämlich nörgelnde Feminstinnen wie Alice Schwarzer nicht als “richtigen” Mann wahrnehmen wollen. Dabei ist er einer, der in aussichtsloser Lage nicht den Kopf eingezogen, sondern unerschrocken einem übermächtigen Feind die Stirn geboten hat. Selenskyj hatte mit den Worten: “ich brauche keine Mitfahrgelegenheit, sondern Waffen!” das Angebot abgelehnt vor heranrückenden russischen Schlächtern in Sicherheit gebracht zu werden.

Was die Welt schon lange nicht mehr hatte, hat sie in Gestalt von Selenskyj bekommen: einen Helden. Gut gegen Böse, das ist der Stoff aus dem die mythologischen Heldensagen gewoben sind. Helden sind unsterbliche, archetypische Gestalten. Die erst angesichts schrecklicher Gefahren aus ihren Komfortzonen heraustreten, um unter erschwerten Bedingungen und Entbehrungen als Retter in Erscheinung zu treten. “Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch”, hat Hölderlin gesagt. Hoffen wir mit dem richtigen Mann im T-Shirt und dem tapferen Volk der Ukrainer, dass dies kein frommer Wunsch bleibt.