“Zu den auffälligsten Merkmalen unserer Kultur gehört die Tatsache, dass es so viel Bullshit gibt.”    Harry G. Frankfurt

“Erst denken, dann sprechen!” Dieser Rat wird Leuten erteilt, die einfach drauflos plappern. Bei abgeschaltetem Gehirn jede Menge Unsinn zu verzapfen, ist heute allerdings völlig normal. Wir haben uns auch längst schon daran gewöhnt, überall einem unaufhörlichen Dünnschiss von leeren Worthülsen und bedeutungslosen Phrasen ausgesetzt zu sein. Mit weitreichenden Folgen.

Worte sind nicht nur unser wichtigstes Verständigungsmittel, sie beeinflussen  auch unser Denken und Handeln, die Art und Weise, wie wir die Dinge dieser Welt sehen und erleben. Wenn man sie hört oder liest, entfalten sie eine Wirkung. Ein “Milliardengrab” lässt Empörung über fehlgeschlagene Großprojekte oder sinnlose Subventionen aufkommen. Wird ein “Entschuldungskredit” angeboten, kann plötzlich wieder die Sonne durch einen schuldenverhangenen Himmel strahlen. Worte beeinflussen sogar unser Geschmacksempfinden. Ein angeblich nach “Großmutters Rezept” gebackener Kuchen wird gemeinhin besser schmecken als genau der gleiche, dem jedoch keine großmütterliche Herzlichkeit zugesprochen wurde.

Was aber bewirkt ein Wort wie “gehirngerecht”? Was geht in uns vor, wenn von “gehirngerechter Mitarbeiterführung” oder einem “gehirngerechtem Relaunch” die Rede ist? Normalerweise müsste man sich beim Geschwafel aus den Geistesgrabkammern der Gehirntoten die Ohren zuhalten. Dafür sind wir aber schon zu abgestumpft. Beim gegenwärtigen Stand der sprachlichen Dinge erscheint es allerdings auch aussichtslos, sich gegen derart gespenstische Auswüchse des Unsinns überhaupt noch aufzulehnen. Und wer gegen das sprachvergewaltigende Gendern ist, steht ohnehin schon längst auf verlorenem Posten.

Müll, Sprachmüll und Verblödung

Wo Menschen sind, ist seit jeher auch Müll. Was früher kein Problem war. Erst

jetzt bereitet die Frage “Wohin mit all dem Müll?” kollektives Kopfzerbrechen. Der Müll ist uns allerdings nicht nur über den Kopf gewachsen. Der Kopf selbst ist mittlerweile eine Müllhalde. Für eine besondere Art von Müll; dem Sprachmüll. Allerdings ist der Kopf für diesen Müll nur eine Zwischenlagerungsstätte. Was ihm an Müll zugeführt wird, gibt er auch wieder von sich.

Beispielsweise so: “Wir sollten mal outside the box denken, dabei aber unsere core values nicht aus den Augen verlieren und die customer da abholen wo sie sind.” Wer so redet, hat zwar nicht mehr alle Tassen im Schrank, kommt auf der Karriereleiter dafür aber umso leichter voran. Hinsichtlich solcher Phrasen lässt sich nicht länger bestreiten, dass der Mund in Politik, Werbung, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Sport, Religion usw. zur sprechenden Müllhalde mutiert ist.

Man könnte über den ständig zunehmenden Sprachmüll achselzuckend hinweggehen, wenn es einfach nur Unsinn wäre. Das ist es aber leider nicht. Es handelt sich um Bullshit. Was aber nicht mit Bullenscheiße, also real existierender Scheiße gleichgesetzt werden darf. Der Bulle kommt vom französischen “boul” für Täuschung. Bullshit ist Gerede, bei dem Redner sich

nicht darum kümmern, ob das was sie sagen in irgendeinem Bezug zur Realität oder Wahrheit steht. Bullshitter sind jedoch keine Lügner, die anderen bewusst die Unwahrheit sagen. Zwischen Lüge und Wahrheit, Illusion und Realität zu unterscheiden, ist Bullshittern nicht nur zu kompliziert, sie wissen, wie beispielsweise Donald Trump, noch nicht einmal, dass es solche Unterschiede überhaupt gibt.

Charakteristisch für Bullshit ist aber nicht nur die fehlende Verbindung zur Realität. Bullshit ist viel schlimmer. Seine wahrhaft erschreckende Dimension besteht in einem grotesk anmutendem, stillschweigendem Einverständnis zwischen Rednern und Zuhörern. Und zwar dahingehend, dass die Loslösung des Gesagtem von jeglichem Realitäts- oder Wahrheitsbezug als vollkommen normal erachtet wird. So dass es keinem der Beteiligten darauf ankommt was gesagt, sondern nur wie es gesagt wird.

Das ist so absurd, dass es eigentlich nicht wahr sein kann. Jedoch lässt sich eben dieses gegenseitige Einverständnis, vom Prinzip her, im Hinblick auf die heilige Messe der katholischen Kirche besonders eindrucksvoll nachweisen. Dabei

stehen Geistliche, Kirchenlatein redend, mit dem Rücken zur Gemeinde. Die das Gesagte zwar hört, aber kein Wort davon versteht. Gerade aber weil sie nichts versteht, ihr bedingungsloses Einverständnis mit dem Unverständlichen bekundet.

Vielleicht mag es problematisch erscheinen im Zusammenhang mit Bullshit auf den “Wortgottesdienst” des geistlichen Stands zu verweisen. Einer Berufsgruppe, die ja erklärtermaßen mit ihren Worten nur den Glauben, nicht aber die Realität beschreiben will. Paradoxerweise wird jedoch auch mit dem Rücken zur Realität in Institutionen gesprochen, die sich der Erschaffung von Wissen verschrieben haben.

Die bis zum geht nicht mehr vorangetriebene Verkomplizierung der Sprache in Geistes- und Sozialwissenschaften, hat so wie Kirchenlatein, die Form eines unverständlichen Geschwafels angenommen. Das mit unzusammenhängenden Schachtelsätzen und einer endlosen  Aneinanderreihung von Fremdwörtern den Eindruck erwecken möchte, dass Wissenschaftliches zur Sprache kommt. In Wirklichkeit handelt es sich aber, ähnlich wie beim biblischen Turmbau zu Babel, um eine Sprachverwirrung. Um einen Verfall der Sprache in wechselseitige Unverständlichkeit. In der Schreibende nicht verstehen was sie schreiben; und Lesende nicht was sie lesen. Aber darauf kommt es beim Bullshit auch nicht an.

Hinter pseudointellektuellem Geschwätz steckt aber, wie übrigens auch hinter Kirchenlatein, nichts anderes als die Angst verstanden zu werden. Wer verstanden wird, macht sich angreifbar! Im Vorteil sind daher immer diejenigen, die mit ihrem Bullshit so tun, als ob sie tiefer als andere auf den Grund der Dinge geblickt haben. Von dieser Warte aus kann dann anderen ihre Unkenntnis vorgehalten werden. Wobei beim ewigen: “Sie scheinen ja immer noch nicht richtig verstanden zu haben, worum es eigentlich geht” der Stolz des Bullshit-Menschen auf seine eigene Verblödung zum Ausdruck kommt.

Was ist ein Bullshit-Mensch, und woran erkennt man ihn?

Jedes Zeitalter hat ihre Sprache, und jede Sprache prägt das Denken der Menschen die sie sprechen. Wenn das Denken die Sprache korrumpiert, korrumpiert, wie George Orwell warnte, die Sprache auch das Denken, Wenn Worte keine verbindliche Bedeutung haben, können sie prinzipiell alles und gleichzeitig nichts bedeuten. Je nach Lust und Laune in allen möglichen und unmöglichen Zusammenhängen verwendet, sind sie dann in ihrer Sinnlosigkeit auch absolut wertlos. Haben aber erst einmal Worte ihren Sinn und Wert verloren, werden auch Menschen, die sie sprechen, zunehmend von Gefühlen einer innerer Sinn- und Wertlosigkeit heimgesucht.

Riesige Wirtschaftszweige erfüllen ihren Daseinszweck, indem sie diese unbequeme Gefühlswelt therapeutisch bearbeiten. Mode, Kosmetik, Autos, Waren und Dienstleistungen vielerlei Art sind die Mittel, um im Dunkel einer entleerten Innenwelt das Feuerwerk einer zum Kauf verlockenden Bullshit-Außenwelt aufgehen zu lassen. Die mit Bullshit-Phrasen beworben wird, aber

auch von ihrem ganzen Wesen her Bullshit in Reinform ist. Was sind Angebot und Nachfrage, wenn nicht Zeichen vom gemeinsamen, genießerischen Einverständnis in Sinn- und Wertloses?

Womit der Bullshit-Mensch kurz und bündig wie folgt charakterisiert werden

kann: innen Sprachmüll, außen Schrott! Was zusammengenommen im Zustand der Verblödung kulminiert. Verblödet zu sein fällt unter Verblödeten freilich nicht auf. Zwar besteht das Gegenteil von Blödheit in Klugheit, jedoch ist auch die Klugheit im Bullshit mit der Blödheit vereint. Wenn nämlich die Blöden auf die Klugen, und die Klugen auf die Blöden eindreschen, sind sie, ohne sich darüber bewusst sein, gleichermaßen Mitwirkende auf Bühnen kollektiver Verblödung. Was am Beispiel des Rechtsradikalismus und seiner Ablehnung gezeigt werden kann.

Zweifellos sind Rechtsradikale verblödet. Die in ihrer Verblödung andere, die Rechtsradikalismus ablehnen und dabei “Haltung” annehmen, als vollkommen verblödet betrachten. Unter Haltung wird in diesem Zusammenhang moralische Aufrichtigkeit verstanden. Mit der es aber nicht weit her sein kann, wenn Haltung bei Talkshows in der Charaktermaske eines Clubabzeichens daherkommt. Um zustimmungsheischend mit moralischer Bullshit-Selbstbeweihräucherung zu punkten. “Den Anfängen wehren! Aufstehen, wenn andere sitzen bleiben! Nie wieder! Demokratie stärken!”

Da solche Phrasen beim Publikum zu einem Ohr rein, und zum anderen gleich wieder rausgehen, stochern fortgeschrittene Bullshitter etwas tiefer in ihren Sprachmüllhalden herum. Wobei sie Dinge sagen, die das ganze Ausmaß am Zusammenschluss von Bullshit und Verblödung offenlegen. Und zum Beispiel so lauten: “…den Kampf gegen Rechtsextremismus als Querschnittsaufgabe endlich auch institutionell verankern.” Wer als Politiker öffentlich so redet, ist vielleicht schon zu verblödet um zu verstehen, weshalb Politikverdrossene im Blödsinn des Rechtsradikalismus ihre neue Heimat finden.

Vielleicht wird einmal zur Entwicklungsgeschichte des Menschen der Bullshit-Mensch als eigenständige Gattung hinzugefügt. Deren Vervollkommnung Donald Trump verkörpert. Trump muss als Prophet des Bullshit-Menschen gewürdigt werden. Verkündet er doch mit seinem Bullshit den Aufbruch in die totale Verblödung. Aber wo Gefahr ist, tröstet Hölderlin, wächst das Rettende auch. Greta Thunberg ist zwar noch nicht erwachsen, sie hat aber, der Rettung der Welt verpflichtet, mit ihrem blödsinnigen Segeltrip nach Amerika eine der beeindruckendsten Bullshit-PR Aktion aller Zeiten veranstaltet.

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